Thomas Klegin

Bildstock (1997)

Skulptur auf dem Cava dei Tirreni-Platz in Schwerte

Der „Bildstock“ von Thomas Klegin besteht ausschließlich aus Gegenständen, die der Betrachter kennt: Es handelt sich um einen Metallpfosten, wie er auch ringsum an Straßenlaternen oder für die Anbringung von Verkehrsschildern zu sehen ist, und um 11 daran befestigte Verkehrsspiegel in drei unterschiedlichen Größen.

Zwei Dinge erscheinen zunächst ungewöhnlich: Zum einen, dass die Verkehrsspiegel nicht etwa an einer gefährlichen Straßenkreuzung stehen, sondern sondern auf einem freien Platz im Bereich der Fußgängerzone, zum andern treten die Spiegel hier in einer Vielzahl auf, die im Straßenverkehr eher zusätzliche Verwirrung schaffen würde.

Zu dem schwingt aber auch die Erinnerung daran mit, dass - ehe die ständig wachsende Videoüberwachung selbstverständlich wurde – solche Spiegel zu genau diesem Zweck eingesetzt wurden: Die Übersicht über ein Terrain zu behalten, das kein Unbefugter betreten sollte.

Der Betrachter sollte an dieser Stelle einmal die Umgebung anschauen: Die Spiegel korrespondieren mit den Fenstern der Umgebung: Individuelle, „harmlose“ Blicke aus den Fenstern ändern durch die Spiegel ihre Richtung, werden in den Spiegeln zum zusammenfassenden Blick für alle Passanten, die durch den Blick in diese Spiegel mehr erfahren, als die eigene Wahrnehmung ihnen sonst ermöglichen würde. Die unterschiedliche Ausrichtung der Spiegel ermöglicht kaum ein „Entkommen“.

Die Skulpturen-Gattung “Bilderstock“ entstand im 14. Jahrhundert. Die Bildsäulen wurden zumeist an Straßenkreuzungen aufgestellt und zeigen Szenen aus der Bibel oder aus dem Leben von Heiligen. Gründe für die Aufstellung waren Danksagungen und ein symbolisches Flehen um den Schutz des Himmels. Auf dem Bildbeispiel links ist am Bilderstock unten eine Texttafel angebracht: „Bitt Gott für uns, Maria“

An den religiösen Ursprung mag man sich erinnert fühlen, weil in einigen der Spiegel am Bildstock von Thomas Klegin auch die Viktorkirche zu sehen ist. Dem Betrachter wird aber vor allem von seinen wechselnden Standorten aus ein nahezu vollständiger Einblick in die gesamte Umgebung gegeben.

Um Wirklichkeit zu erfassen, reicht der Blick aus nur einer Perspektive offensichtlich nicht. Die Spiegel-Bilder werden im doppelten Sinne zu einer Reflexion unserer Alltagswelt und thematisieren Konsum, Überwachung, Hektik, Sicherheit – aber auch die Geschichte, geistiges Leben und - die Schönheiten dieser Stadt. .

Künstlerische Intentionen (allgemein)

Für die sehr komplexen „Installations-Skulpturen“ von Thomas Klegin seien hier zunächst nur zwei Eigenschaften genannt, die für viele seiner Arbeiten dieser Gattung als gegeben gelten können. Unvorstellbar ist es, dass Thomas Klegin eine Skulptur entwirft, die man an einem beliebigen Ort aufstellen könnte. Seine Installationen sind immer zu gleich Interventionen. Sie verändern den Raum und den Ort, an denen sie (ent-)stehen; sie machen sowohl deren Doppelbödigkeit bewusst und zugleich die Unmöglichkeit eines nur eindimensionalen Denkens, eines Denkens in den Kategorien „richtig“ und „falsch“. Jedes Ding ist das, als das es erscheint, aber es ist nie nur dieses Ding allein, sondern zieht zumeist eine Fülle von Bedeutungsvarianten nach sich. Die zweite charakteristische Eigenschaft seiner Installationen ist, dass der Künstler im Wesentlichen Materialien verwendet, die der Betrachter aus seinem Alltag kennt, seien es Schubkarren, Absperrbänder oder wie im Falle des Bildstocks Verkehrsspiegel. Im Straßenverkehr werden diese Spiegel eingesetzt an unübersichtlichen Stellen, an denen Verkehrsteilnehmer nur über das gespiegelte Bild, das die Wirklichkeit nur verzerrt wiedergibt, zu einem realistischen Bild von der Wirklichkeit gelangt, sodass er sich an dieser Stelle im Straßenverkehr sicher bewegen kann.

Werdegang

1961 geboren in Bochum; lebt und arbeitet in Schwerte und Krefeld.
1983 bis 1990 Studium Visuelle Kommunikation an der Fachhochschule Münster (Diplom).
1988 bis 1994 Studium an der Kunstakademie Münster bei Professor Joachim Bandau (Meisterschüler).
1993 bis 2002 Verschiedene Preise und Stipendien, darunter u.a.
- Förderpreis der Kulturstiftung Sparkasse Unna, „Junge Bildhauer“ (1993)
- Graduiertenstipendium des Landes NRW; Preisträger des Trophäenwettbewerbs zum 6. Marler Video-Kunst-Preis (1994)
- Förderpreis – Studiogalerie XVIII – des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (1995)
- Preisträger eines Bosch-Förderpreises WORK ART. Projektförderung der Stiftung Kunst und Kultur des Landes NRW (1996)
- Bakenhoff-Stipendium Worpswede des Landes Niedersachsen und der Stadt Bremen;
Arbeitsstipendium Schloss Ringenberg des Landes NRW. (1997)
1997 Realisierung des Skulptur „Bildstock“ im Auftrag der Kulturstiftung der Stadtsparkasse
1997 bis 2002 Lehrauftrag für Plastisches Gestalten / Angewandte Formgestaltung an der Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Design.
1999 Lehrauftrag am California Institute of the Arts; Villa Aurora Stipendium, Los Angeles / USA.
2002 bis 2003 Professurvertretung an der Hochschule Niederrhein, Fachbereich Design
Seit 2003 Professor für Gestaltungslehre und plastisches Gestalten an der Hochschule Niederrhein, Fachbereich Design
Quelle: www.klegin.com