Ingrid Langanke

das ding (2010)

Stahlskulptur auf der Wiesenfläche an der Bethunestraße

Ingrid Langanke wurde 1940 in Kevelaer geboren. Sie lebt und arbeitet in Mönchengladbach. Neben ihrer umfangreichen Ausstellungstätigkeit in Deutschland hat sie ihr Werk u.a. auch in Belgien, England, Polen und den USA (Detroit, New York) gezeigt. Sie ist in Deutschland und den Niederlanden in verschiedenen Museen vertreten sowie in öffentlichen und privaten Sammlungen.

Ingrid Langanke war im Programm des Kunstvereins Schwerte (1987 – 2017) mit insgesamt vier Ausstellungen vertreten. Einer breiten Öffentlichkeit wurde die Künstlerin aber erst durch die Stahlskulptur „das ding“ bekannt. Die Arbeit befindet sich im Besitz der Kulturstiftung der Stadtsparkasse Schwerte, in deren Auftrag das Werk entwickelt und 1995 realisiert wurde.

Künstlerischen Intentionen (allgemein)

Ingrid Langanke kommt von der figürlichen Skulptur, die im Anfang ihrer künstlerischen Laufbahn das Werk bestimmt. In ihrer Hinwendung zu kubischen Formen ist jedoch nicht materialbedingt wie etwa bei Ulrich Rückriem. Vielmehr steht bei ihr dahinter die Überzeugung, dass sich unsere Welt – vom Sternenhimmel bis zu gesellschaftlichen Prozessen – mit wenigen Formen beschreiben lässt. Das Quadrat nimmt bei dieser Art der Welterfassung die zentrale Stellung ein. So werden aus dieser Grundform sowohl Flächenformen wie Rechteck und Dreieck, aber auch die Formen geometrischer Körper entwickelt. Wichtig ist dabei die Überlegung, dass „Mathematik und Natur“ oder „Rationalität und Emotion“ nicht als Gegensätze zu verstehen sind. Folgerichtig entwickelt Ingrid Langanke daher neben den ungegenständlichen Arbeiten seit einigen Jahren erneut auch ein figuratives Werk. Dabei kehrt sie nicht zu naturalistischer Abbildung zurück. In der Serie „Mutter und Kind“ etwa zeigt sie über die geometrische Formensprache, wie die Beziehung zwischen Mutter und Kind u.a. durch die Lebensgeschichte der Mutter bestimmt wird.

Ingrid Langanke – das ding

Die Skulptur „das ding“ von Ingrid Langanke ist der Konkreten Kunst zuzuordnen. Das heißt, die Skulptur stellt nichts dar, sondern zeigt nur, was sie auch wirklich ist. Jeder Schritt in der Entwicklung der Gesamtform lässt sich bei genauer Betrachtung exakt nachvollziehen. So möchte man annehmen: Im rein Rationalen der Konstruktion kann sich kein Geheimnis verbergen. Und doch treten beim Umschreiten der Skulptur und zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten unerwartete Phänomene zu Tage.

Die Skulptur ist aus dem wohl rationalsten geometrischen Körper, nämlich einem Würfel, entwickelt. Diese Würfelform mit einer Kantenlänge von 90 cm tritt selbst aber gar nicht in Erscheinung. Vielmehr setzt sich die Skulptur aus drei Teilstücken zusammen zu einem Gesamtkubus von 90 x 111 x 360 cm. Das größte der drei Teilstücke ist dabei ein dreiflächiges Element, das die drei geschlossenen blauen Außenseiten bildet. Die beiden anderen Teilstücke, schwarz und weiß, treten aus der blauen Ummantelung hervor und sprengen so die quadratische Grundfläche des Ausgangselements.

Die Entwicklung der Gesamtform lässt sich wie folgt vorstellen: Werden vier Würfel mit 90 cm Kantenlänge aufeinander gesetzt, entsteht ein Kubus mit den Maßen 90 x 90 x 360 cm. Im Innen werden in der Mitte senkrecht zwei Wände angebracht, doch sind sie nur mit einer Seite des Kubus verbunden. Diese Seite wird der Länge nach halbiert und von der blauen Ummantelung gelöst. Dadurch sind aus dem Kubus nun drei Einzelelemente geworden: Die blaue U-Form und zwei L-Formen in Schwarz und Weiß.
Die beiden L-Formen werden 18 cm weit aus der blauen U-Form herausgezogen und genau um die Wandstärke des Außenmantels nach links und rechts seitlich versetzt. Damit ist die endgültige Form der Skulptur festgelegt: Alle Maße ergeben sich aus der Kantenlänge des Würfels und aus der Materialdicke der Stahlplatten, aus der die Skulptur besteht.

In einer Grafik-Edition für den Kunstverein Schwerte hat Ingrid Langanke die einzelnen Schritte des Entstehungsprozesses noch einmal deutlich gemacht:

Stellt man sich aber die Bewegung vor, wie sich das schwarze und das weiße Element nach vorne schieben, sieht man förmlich, wie die Luft in den blauen Teil der Skulptur hineingesogen wird. Ähnliches passiert mit dem Raum: Der zunächst dem Blick unzugängliche Innenraum des Kubus wird nicht nur sichtbar, sondern es entstehen drei neue Teilräume – und die sind nicht physisch, sondern nur mit dem Blick zu „begehen“. – Dadurch wird auf der einen Seite eine Distanz zwischen Werk und den Betrachterinnen und Betrachtern erzeugt, andererseits stehen aber die Skulptur – ohne Sockel oder sichtbare Fundamentplatte – und die Betrachtenden auf demselben Boden, was die zunächst empfundene Distanz wieder aufhebt.

Damit werden die Betrachtenden selber zum Thema der Skulptur: Sie lenkt den Blick zwischen den einzelnen Elementen nach oben. So setzt man die eigene Körpergröße ins Verhältnis zu der Höhe der Skulptur, erfährt unmittelbar die Relativität von Größen und stellt fest, dass der Kubus an der oberen Seite nicht geschlossen, sondern offen ist.

Es muss angemerkt werden, dass der Platz für die Aufstellung der Skulptur von der Künstlerin gewählt wurde, weil die Rasenfläche völlig frei und die Skulptur auch aus einiger Entfernung schon zu sehen war. Nur so wurde beim Näherkommen die Höhe im Vergleich zur eigenen Köpergröße erlebbar. Die unmittelbar neben die Skulptur gepflanzten Bäume übersteigen die 360 cm der Skulptur erheblich und lassen die Skulptur selber eher klein erscheinen. Auch die künstliche Außenbeleuchtung war von der Künstlerin nicht geplant. Und das hat seinen guten Grund: Die Skulptur kommt erst zur vollen Wirkung, wenn sie zu unterschiedlichen Tageszeiten wahrgenommen werden kann und von unterschiedlichem Licht umspielt wird – und gleichzeitig selber mit dem Licht zu spielen scheint.

Die beiden Nicht-Farben Schwarz und Weiß stellen zwei Extreme dar, da sie nach verschiedenen Farbtheorien alle Farben enthalten: Die drei Grundfarben (Rot, Blau, Gelb) ergeben bei subtraktiver Farbmischung (Materialfarben) Schwarz, bei additiver Farbmischung (Lichtfarben) Weiß.

Neben diesem Hinweis auf die Gesamtheit der Farben hat das blaue Element eine eher emotionale Bedeutung. Das wurde besonders deutlich, wenn das Sonnenlicht von oben direkt in die Skulptur fiel:

Ein leuchtend blauer Streifen bewegte sich dann mit dem Lauf der Sonne im Innern der Skulptur zum Boden und wieder zurück, sichtbar in dem Spalt zwischen dem weißen und dem schwarzen Element.

Neben ungegenständlichen Skulpturen und grafischen Arbeiten

gehören zum Werk von Ingrid Langanke auch figürliche Skulpturen, hier zum Thema „Mutter und Kind“, wie sie 2012 in der Ausstellung „der rote faden“ in Schwerte zu sehen waren.