Maik und Dirk Löbbert

Denkmal für eine
vormals ortsspezifische Skulptur (2004)

Lichtskulptur im Stadtpark Schwerte, Bahnhofstraße

Die Skulptur stellt einen seltenen Ausnahmefall im Werk von Maik und Dirk Löbbert dar. Unter dem ironisch doppeldeutigen Titel „Beleuchtung“ war sie 1997 für einen Standort in der Hüsingstraße (Fußgängerzone) geschaffen worden. An diesem Ort funktionierte die Installation so perfekt unauffällig, dass selbst einige der Entscheidungsträger für diese Skulptur sich mit dem Kommentar: „Das ist doch keine Kunst!“ davon zu distanzierten suchten.

Der neue Standort im Stadtpark Schwerte wiederholt die Kombination der beiden Leuchten zwar, die Möglichkeit, sie „zu übersehen“, ist aber kaum noch gegeben, wenn auch einige weitere Leuchten in der Umgebung zu sehen sind.

Der Titel „Beleuchtung“, der auf den tautologischen Sachverhalt hingewiesen hat, dass eine Leuchte eine Leuchte beleuchtet, ist zwar verändert, die neue Tautologie, dass dieses originale Leuchtenensemble nunmehr ein Denkmal seiner selbst geworden ist, potenziert den Witz und die Ironie des Werks.

Hinzu kommt, dass in dem Stadtpark an mehreren Stellen auch andere Denkmäler zu finden sind, zumeist alte Grabsteine. Damit bringt sich der Stadtpark noch einmal als ehemaliger Friedhof in Erinnerung, auf dem aktuell auch die ursprüngliche Idee der Löbbert-Skulptur beigesetzt ist, sodass der neue Standort, dem die Löbberts – gegen ihre sonstigen Prinzipien! – zugestimmt haben, das Werk inhaltlich neu auflädt und es die eigene Geschichte ironisch kommentiert. Die durch den neuen Kontext entstandene friedhöflich-museale Ruhe, die jetzt von den beiden Leuchten ausgeht, lässt sie unmittelbar als nicht alltägliches, als gewolltes und bewusst herbeigeführtes Konstrukt deutlich werden.

Das schärft den Blick für Details; allein im Bereich der Schwerter Innenstadt gibt es 12 verschiedene Typen von Straßenlaternen, die mit Leuchtmitteln unterschiedlicher Lichtfarben (alle aus dem Weiß-Bereich) bestückt sind. Bei etwa 80 % der Leuchten in diesem Bereich haben die Masten neben ihrer Funktion, die Leuchtmittel aus unterschiedlicher Höhe auf die Straße scheinen zu lassen, auch die Funktion, Träger von Straßenschildern, Plakaten oder Blumenschmuck zu sein. Die ästhetische Komponente der von Designern entworfenen Straßenleuchten wird in der Regel überhaupt nicht wahrgenommen und tritt erst bei den unveränderten Erscheinungsformen der Löbbert-Skulptur erneut ins Bewusstsein.

Die Verteilung der unterschiedlichen Leuchtentypen im Stadtgebiet erfolgt nach dem einfachen Prinzip: Alte Straßen – alte Leuchten; neue Straßen - neue Leuchten. Eine elektrische Straßenbeleuchtung gibt es in Schwerte erst seit ca. 70 Jahren. Die gusseisernen Modelle z.B. im Altstadtbereich können somit auch keine Originalleuchten sein (Schinkel-Leuchten: Ende des 19. Jh.), sondern nur nachempfundene Stücke. Von diesen Formen taucht eine auch in der Löbbert-Skulptur auf – allerdings: Aus Kunststoff!! Die andere Leuchte ist eine „Peitschenlaterne“ des seinerzeit neuesten Leuchtentyps. Vom heutigen Aufstellungsort aus kann man zwar ebenfalls eine Peitschen-Leuchte als Teil der Straßenbeleuchtung sehen. Hier fällt aber bald auf, dass dieser Typ einer Peitschenlaterne wie in der Löbbert-Skulptur in Schwerte ansonsten überhaupt nicht verwendet wird. (Und nie verwendet wurde! - Heute noch in Funktion zu sehen ist diese Peitschen-Leuchte in Teilen der Dortmunder Innenstadt.)

Am früheren wie am heutigen Standort der Skulptur fällt dieser zweifache „fake“ kaum jemandem auf. Die Ähnlichkeiten zur außerkünstlerischen Wirklichkeit sind groß genug, dass die Kunst unter das Außerkünstlerische leicht subsummiert wird.

Auch am neuen Standort erreichen die Löbberts somit ihr Ziel, die Grenzen zwischen Kunst und Wirklichkeit verschwimmen zu lassen – und dem Betrachter diese Tatsache bewusst zu machen. Ganz sicher aber wird die ungewöhnliche Konstellation der beiden Leuchten aber bei Passantinnen und Passanten die von den Künstlern erhoffte „Verwunderung“ aufkommen lassen.

Eine erste Skizze der Gebrüder Löbbert für die Schwerter Skulptur „Beleuchtung“

Künstlerische Intentionen (allgemein)

„Uns interessiert ja die Frage: Was ist Kunst? Oder: Wo fängt Kunst an, wo hört Kunst auf?“
(Die Brüder Löbbert am 5.6.2014 im WDR-Interview mit Christel Wester.)

Wie das Zitat zeigt, ist die Grundlage der Kunst von Maik und Dirk Löbbert, in ihren Werken die Grenzen zwischen Kunst und Alltagswirklichkeit erspürbar oder erkennbar zu machen. Daher arbeiten sie in der Regel mit den Elementen des Alltagslebens, denen nur der Kontext die Möglichkeit des Besonderen zukommen lässt. 1985 begannen Maik und Dirk Löbbert mit ihren Eingriffen in den öffentlichen Raum, indem sie skulpturale Gebilde im städtischen Raum platzierten, die sie aus dem Sperrmüll der jeweiligen Stadt zusammengetragen hatten. Wenn diese Skulpturalen Eingriffe sich auch nur geringfügig von dem sonstigen abgestellten Sperrmüll unterschieden, lösten ihr Arrangement und die Orte, an denen diese Skulpturen auftauchten, Aufmerksamkeit und Verwunderung aus. Seinerzeit haben sie diese Interventionen im öffentlichen Raum als „dreidimensionale Graffiti“ verstanden. Die Arbeiten im öffentlichen Raum zeichnen sich dadurch aus, dass die Löbberts in der Regel mit den Gegenständen und Materialien arbeiten, die sie an den Orten vorfinden, an denen ihre Werke entstehen oder platziert werden sollen. Die Veränderungen der „normalen“ Situationen sind häufig minimal und eben dadurch so ortsspezifisch, dass die entstandenen Arbeiten kaum an anderen Orten gezeigt werden können als jenen, für die sie entstanden sind. Die Löbberts: „Man darf da nicht sehr eitel sein, Arbeiten abbauen, weil sie im Kontext nicht mehr richtig sind.“ Der Kontext ist demnach Ursprung und Bestandteil des jeweiligen Werks. Die Arbeiten der Löbberts sind daher weder als Kunst-Behauptungen noch als Selbstbehauptungen einzustufen und setzten einen sehr genauen Blick der Betrachtenden voraus. Im WDR-Interview (s.o.) sagen sie zur Rezeption ihrer Arbeiten: „Wenn die Verwunderung kommt, muss es ja auch nicht direkt als Kunst identifiziert werden. Es reicht ja schon, wenn man einfach mit einer Frage nach Hause geht und sich überlegt: Was habe ich da eigentlich heute gesehen?“

Lebensdaten

Maik Löbbert

1958 in Gelsenkirchen geboren
1984/87 Studium der Fotografie, GHK Kassel
1985 Beginn der Zusammenarbeit
1987/90 Studium der Malerei/Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf
1996 Villa Romana-Preis; einjähriger Aufenthalt in Florenz
2000 Gastprofessur an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig; Thema: Licht und Raum
2001 Professur für Bildhauerei an der KA Münster
2005 Rektor der Kunstakademie Münster

Dirk Löbbert

1960 in Wattenscheid geboren
1983/88 Studium der Bildhauerei an der FHS Köln
1985 Beginn der Zusammenarbeit
1988-92 Studium der Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf
1996 Villa Romana-Preis; einjähriger Aufenthalt in Florenz
2000 Gastprofessur an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig; Thema: Licht und Raum
2001 ist er Professor für Bildhauerei an der Kunstakademie Münster.